LeHet – das Projekt

Die hier publizierten Lehr-/Lernkonzepte entstammen dem Projekt „Förderung der Lehrerprofessionalität im Umgang mit Heterogenität (LeHet)“ der Qualitätsoffensive Lehrerbildung, an der sich die Universität Augsburg sehr erfolgreich beteiligt hat. Zentrales Ziel dieses Projekts ist die Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung an der Universität Augsburg hin zu einer umfassenden und wirkungsvollen Förderung der Professionalität angehender Lehrer:innen im Umgang mit Heterogenität. Hierbei wird von einem weiten Heterogenitätsverständnis ausgegangen (Bohl, Budde & Rieger-Ladich, 2023 2. Auflage): Es wird unterschieden zwischen a) einer Heterogenität in Bezug auf individuelle Bedingungsfaktoren (z. B. kognitive, sprachliche, motivationale Lernvoraussetzungen), b) einer Heterogenität in Bezug auf Prozessmerkmale der Umwelt (z. B. Elternverhalten, sprachlicher Anregungsgehalt, Interaktionen mit Gleichaltrigen, Medien) sowie c) einer Heterogenität in Bezug auf strukturelle Faktoren (z. B. kulturelle und soziale Herkunft). Zur Konzipierung von Professionalität hat sich das Kompetenzmodell von Baumert und Kunter (2011) als gute heuristische Grundlage erwiesen, das neben verschiedenen Bereichen des Professionswissens auch nicht-kognitive Aspekte umfasst. Dieses Modell wurde auf Basis des aktuellen Forschungsstands und Ergebnissen der Projektarbeit weiter ausdifferenziert (vgl. Abb. Arbeitsmodell der Lehrerkompetenzen zum Umgang mit Heterogenität).

Zur Förderung des Professionswissens und der benötigten Überzeugungen im Umgang mit Heterogenität wurden fünf zentrale Kompetenzbereiche identifiziert:
a) adaptives Unterrichten auf Grundlage der Lernvoraussetzungen der Schüler:innen;
b) individuelle Beratung und Förderung;
c) Einsatz und Analyse von Bildungsmedien;
d) Sprachbildung, Sprachförderung, Mehrsprachigkeit sowie
e) als Querschnittsbereich: Stärkung der Ressourcen beim Umgang mit heterogenitätsbezogenen Belastungen.

Innerhalb dieser fünf Kompetenzbereiche und auch über die einzelnen Kompetenzbereiche hinweg wurden und werden zueinander kompatible, fachübergreifende und fachspezifische Lehr-/Lernangebote entwickelt, implementiert und evaluiert.

Schaubild: Arbeitsmodell der Lehrerkompetenzen zum Umgang mit Heterogenität
Arbeitsmodell der Lehrerkompetenzen zum Umgang mit Heterogenität

Im bisherigen Verlauf des Projekts sind bereits eine Vielzahl innovativer Lehr-/Lernkonzepte entstanden, mehrfach erprobt und evaluiert worden, die nun zum Zwecke der nachhaltigen Sicherung und der Adaption auch an anderen Standorten der Lehramtsausbildung in dieser Studienkursreihe dokumentiert werden.

Die Studienkurse weisen eine – dem abgebildeten Kompetenzmodell korrespondierende – thematische Breite auf: von fachübergreifenden Themen wie Diagnostik im Unterrichtsalltag im Kontext einer heterogenen Schülerschaft oder Konzeption und Erstellung virtueller Lernumgebungen bis hin zu konkrete Domänen betreffende Konzepte, wie etwa Online-gestützte Förderung von Schreibkompetenz, Diagnose- und Rückmeldungskompetenz im Sportunterricht, Erkennen und Fördern besonderer Begabungen im Kunstunterricht, Einsatz von Lernvideos im Mathematikunterricht u. v.m.

Die Lehr-/Lernkonzepte zeichnen sich durch gemeinsame Gestaltungsmerkmale aus: Als erstes ist hier zu nennen, dass sie nahezu durchgängig von fächerübergreifenden Dozierendentandems konzipiert und erprobt wurden, z. B. von Vertreter:innen einer Fachdidaktik und einer Bildungswissenschaft, oder einer Bildungswissenschaft und der Schulpraxis oder verschiedener Fachdidaktiken oder einer Bildungswissenschaft und einer Fachwissenschaft. Ein zentrales Gestaltungsprinzip des Projekts LeHet, die Verzahnung von Fachdidaktiken, Fachwissenschaften und Bildungswissenschaften, wird somit sehr effektiv umgesetzt.

Die vorliegenden Studienkurse wollen somit auch zur Tandemlehre als bereichernde Erfahrung für Dozierende und Studierende in der Lehramtsausbildung ermutigen; die Veranstaltungen sind allerdings so konzipiert, dass die in den Studienkursen präsentierten innovativen Lehr-/Lernkonzepte nicht zwingend auf Tandemlehre angewiesen sind: Entscheidend ist vielmehr, dass in den Lehrveranstaltungen die unterschiedlichen fachlichen Perspektiven und der jeweilige Forschungsstand der Fächer aufeinander bezogen werden. Da in die vorliegenden Studienkurse die Expertise von Kolleg:innen unterschiedlicher Fächer eingegangen ist, ist die interdisziplinäre Verknüpfung von theoretischen Modellen, empirischen Befunden und interpretativen Mustern zur Vorbereitung auf einen professionellen Umgang mit Heterogenität immer angelegt.

Auch weitere gemeinsame Gestaltungsprinzipien von LeHet kommen in den in der Studienkursreihe dokumentierten Lehr-/Lernkonzepten zum Tragen:

Zum einen ist eine ausgeprägte Fallorientierung zu nennen, die sich darin zeigt, dass in den Lehrveranstaltungen häufig, nicht selten selbst generierte, Unterrichtsvideos zum Einsatz kommen (vgl. Stahl, da Silva, Draghina, Fahrner & Schilling, 2018; Stahl, Schaupp, da Silva, 2018), die eine situierte Auseinandersetzung mit realen Unterrichtsprozessen ohne den Handlungsdruck der Unterrichtspraxis erlauben.

Zum Zweiten ist auf das Prinzip des forschenden Lernens zu verweisen, dessen zentrale Zielsetzung darin besteht, Studierende an einen forschenden Habitus heranzuführen, so dass sie ihr Wissen und ihre Überzeugungen kontinuierlich evidenzbasiert kritisch überprüfen können. Die Studierenden werden also in den Seminaren zu eigener Forschung angeleitet und generieren eigene Forschungsergebnisse, die sie wiederum kritisch reflektieren.

Zum Dritten spiegeln die Kurse auch das Prinzip einer engen Verzahnung mit der Schulpraxis wider, z. B. indem Schulpraktiker:innen einzelne Kurseinheiten gestalten oder Lehrveranstaltungen mit Referendar:innen und Studierenden gemeinsam durchgeführt werden oder auch Kurse generell von Schulpraktiker:innen und Dozierenden gemeinsam geplant und veranstaltet werden. Hierdurch erfolgt eine für beide Seiten bereichernde Vernetzung von wissenschaftlich-theoretischen und schulpraktischen Perspektiven.

Die Studienkurse zeichnen sich alle durch eine identische Grob- und Feinstruktur aus; sie sind das Ergebnis intensiver Kooperationen und Abstimmungen innerhalb der Kompetenzbereiche und über diese hinaus.

Jedes gedruckte Manual beschreibt einen Studienkurs und besteht aus einem einführenden Teil sowie einem in Bausteinen aufgebauten Kurs mit konkreten Durchführungsvorschlägen für die Praxis.

Eng damit verknüpft sind einheitlich gestaltete Power-Point-Dateien, die jeweils die Bausteine des Kurses praktisch umsetzen bzw. illustrieren. Diese Dateien sind für die Dozierenden zum Einsatz im Kurs gedacht.

Zusätzlich gibt es unterstützende Arbeitsmaterialien zu den einzelnen Bausteinen. Jene sollen ebenfalls für die Dozierenden eine Arbeitserleichterung darstellen; hierbei handelt es sich z. B. um von Studierenden zu bearbeitende Arbeitsblätter, die von den Dozierenden ausgegeben werden.

Die gedruckten Manuale sind alle folgendermaßen aufgebaut: Zunächst wird der Studienkurs im Überblick mit einem Fokus auf die zu erwerbenden Kompetenzen vorgestellt; anschließend erfolgt die theoretische Grundlegung der jeweiligen Kursinhalte in interdisziplinärer Perspektive. Im nächsten Teil werden die zentralen Gestaltungsmerkmale des Kurses erläutert; nachfolgend werden die Kursbausteine detailliert dargestellt. Den inhaltlichen Teil abrundend erfolgt ein Abschlussresümee. Den Schluss bilden die Autor:innenprofile und ein Literaturverzeichnis.

Alle Materialien der Studienkurse werden auf einer auf der Microsite des Projektes www.lehet.net für alle Interessierten zugänglich sein.

Die Studienkurse zielen darauf ab, die Lehramtsausbildung durch innovative Lehr-/Lernkonzepte zum professionellen Umgang mit Heterogenität in der Schule zu bereichern und damit einen Beitrag zur Qualitätssteigerung in der Lehramtsausbildung zu leisten; sie sind für den Einsatz in der Lehramtsausbildung in der ersten, zweiten und dritten Phase für den gesamten deutschsprachigen Raum geeignet. Ihr Aufbau mit dem Bausteinprinzip ermöglicht ihre adaptive Verwendung in unterschiedlichen institutionellen und situativen Kontexten.

So wünschen wir den Studienkursen nun eine weite Verbreitung und sind auf Rückmeldungen von Kolleg:innen gespannt!

Zum Schluss ist noch Dank zu sagen:

Dr. Astrid Krummenauer-Grasser und Hannes Großhauser haben als Gesamtkoordinator:innen des Projekts LeHet die Konzeptionierung und Organisation dieser Studienkursreihe zentral vorangetrieben. Zudem ist Dr. Astrid Krummenauer-Grasser als Autorin gemeinsam mit Christine Stahl für den ersten Band dieser Reihe, und damit für den naturgemäß besonders aufwendigen Entwicklungsprozess verantwortlich. Beiden Kolleginnen sei daher herzlich gedankt.

Außerdem gilt unser Dank allen Autor:innen der Studienkurse, die neben ihrem Einsatz in Forschung und Lehre viel Zeit und Engagement in die Erstellung ansprechender Studienkurse gesteckt haben und somit den Dokumentationsauftrag von LeHet eindrucksvoll umsetzen.

Abschließend danken wir dem Verlag Julius Klinkhardt, namentlich Andreas Klinkhardt und Thomas Tilsner, sehr herzlich, dass sich beide sehr schnell für das Projekt einer Studienkursreihe zu LeHet begeisterten und unsere Reihe in ihr Verlagsprogramm aufnahmen. Für die ansprechende Gestaltung der Manuale und Begleitmaterialien geht unser Dank neben Thomas Tilsner auch an die Setzerinnen Kay Fretwurst und Elske Körber.

Literatur

Baumert, J. & Kunter, M. (2011). Das Kompetenzmodell von COACTIV. In M. Kunter, J. Baumert, W. Blum, U. Klusmann, S. Krauss & M. Neubrand (Hrsg.), Professionelle Kom­petenz von Lehrkräften. Ergebnisse des Forschungsprogramms COACTIV (S. 29–53). Münster: Waxmann.

Bohl, T., Budde, J., Rieger-Ladich, M. (Hrsg.). (2017). Umgang mit Heterogenität in Schule und Unterricht. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Stahl, Christine, da Silva, Ana, Draghina, Mario, Fahrner, Ulrich & Schilling, Charis (2018). Selbstgesteuertes Lernen mit videobasierten Lernmodulen in der universitären Lehrer/innenbildung. In Magdalena Sonnleitner, Stefan Prock, Astrid Rank, & Petra Kirchhoff (Hrsg.), Video- und Audiografie von Unterricht in der LehrerInnenbildung: Planung und Durchführung aus methodologischer, technisch-organisatorischer, ethisch-datenschutzrechtlicher und inhaltlicher Perspektive (S. 223–238). Opladen: Verlag Barbara Budrich.

Stahl, Christine, Schapp, Ulrike & da Silva, Ana (2018). Videos in der (DaZ-)Lehre und Forschung. In Perspektiven für eine gelingende Inklusion: Beiträge der „Qualitäsoffensive Lehrerbildung“ für Forschung und Praxis (S. 95–105). Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Augsburg, im August 2021

Die Reihenherausgeber:innen

Eva Matthes, Markus Dresel,  Andreas Hartinger, Ulrike Nett und Kristina Peuschel